Illegal

Autor*in(nen)
Theater, Hörspiel, UA: 20.06.2008, Münchner Kammerspiele
Inhalt

Sie wissen, wie es sich in einer Diktatur lebt, wie man Zollbeamte besticht und wie eine Kalaschnikow klingt. Sie kennen Leute, die getötet haben. Sie erzählen von Telefonaten mit der Heimat und von den Geldern, die sie mit Western Union nach Hause schicken. Sie wohnen auf wenigen Quadratmetern, haben viele Identitäten, fahren durch ganz Deutschland für einen Job. Sie fallen nicht auf. Zahlen immer bar. Fangen keinen Streit an.

In ILLEGAL erzählt Björn Bicker von Menschen, die ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben. Er verleiht damit der dem Theater hocheigenen Funktion der Repräsentation eine besondere Dimension: Ein Anwesender spricht für einen abwesenden Anderen. Nach Adorno aber gibt es »kein richtiges Leben im falschen«, und so fragt man, wie illegalisierte Menschen und ihre Familien eigentlich ihren Alltag organisieren können. Wie sie arbeiten, wohnen, sich ärztlich versorgen und ihre Kinder zur Schule schicken.

Björn Bicker hat dieser Unmöglichkeit des Seins nachgespürt. Dabei ist er vom Dokumentarischen ausgegangen, um beim Dramatischen anzukommen. Seine Figuren erzählen Geschichten der Marginalisierten, der Menschen außerhalb unserer Gesellschaft, die dennoch mitten unter uns leben, die unsere Wohnungen und Restaurants putzen und unsere Kinder hüten. Er erzählt von ihren Überlebensstrategien, ihrem ritualisierten Verhalten, von der Liebe, der Sehnsucht sowie ihrer Sicht auf Landsleute und Deutsche.

Über anderthalb Jahre wurden für dieses Projekt Gespräche und Interviews geführt: mit Helfern, Beamten, mit Wissenschaftlern, Ärzten und schließlich mit den Betroffenen selbst. Das umfangreiche Recherchematerial war Grundlage für den Theaterabend ILLEGAL, der an den Münchner Kammerspielen entstand und dort am 20. Juni 2008 in der Regie von Peter Kastenmüller und im Bühnenbild von Michael Graessner uraufgeführt wurde.

Mit dem vorliegenden Theaterstück ist es Björn Bicker gelungen, die kolportierten Schicksale und Geschichten so zu verdichten und zu arrangieren, daß sie von drei Figuren erzählt und somit szenisch erfahrbar gemacht werden können. Zugleich zeichnet Bicker mit ILLEGAL  die weltweiten Migrationsbewegungen nach und macht sie für uns sichtbar. Es entsteht ein Logbuch der Flucht, der Duldung, des Ausharrens, des Hoffens und des Scheiterns, eine Anthologie des Wartens und des Übergangs.

Auszug

»aber eigentlich funktioniert hier alles ganz gut. die tun hier so als wär nix. das finde ich das geilste an den deutschen. die denken immer noch alles in butter. unsere gesetze funktionieren. unsere grenzen sind ordentlich dicht. jeder von denen hat irgendwo einen illegalen arbeiten. aber die tun so als wäre alles in ordnung. als hätten irgendwelche grenzen irgendeinen sinn. das war an der uni auch schon so. jeder wusste dass alle in england und in amerika über die deutschen unis lachen. aber die haben sich aufgeführt als wären sie cambridge und yale zusammen.«