Lies Pauwels (°1968, Gent) ist eine belgische Schauspielerin, Theaterregisseurin und Autorin.

Sie arbeitete zunächst als Schauspielerin, vor allem mit Victoria (heute Campo) in Gent. Besonders prägend war die Zusammenarbeit mit Arne Sierens und Alain Platel in den legendären Inszenierungen Moeder en Kind, Bernadetje und Allemaal Indiaan. Gast-Engagements führten sie zudem u. a. zu Toneelhuis, T.G. Stan, De Koe, NNT, Wunderbaum und Dood Paard.

Seit 2001 konzentriert sich Pauwels zunehmend auf die Regie. Ihr Werk zeichnet sich dadurch aus, dass es Widersprüche menschlichen Verhaltens freilegt und Transformation ins Zentrum stellt. Anstelle geschlossener Erzählungen entwickelt sie eine offene Bühnensprache, oft mit einem divers zusammengestellten Ensemble aus rofessionellen Schauspieler:innen und Laien: Jugendliche, Menschen mit psychischen Erkrankungen, Schmerzpatient:innen, Sexarbeiter:innen, Bodybuilder oder Gehörlose. So entstehen Arbeiten, die unmittelbar, radikal, zugleich schmerzhaft und zutiefst mitfühlend sind.

Ihren internationalen Durchbruch als Regisseurin erzielte sie mit Het Hamiltoncomplex (2016, Hetpaleis), in dem dreizehn 13-jährige Mädchen und ein Bodybuilder auf der Bühne standen. Die Inszenierung wurde mit dem Zilveren Krekel sowie dem On the Edge Festival Award (UK) ausgezeichnet und markierte den Beginn einer Reihe von Produktionen, in denen Realität und Theater ineinandergreifen. Zu ihren weiteren wichtigen Arbeiten zählen u. a. Truth or Dare, Britney or Goofy, Nacht und Nebel; Jezus Christ or Superstar (2018, Hetpaleis), Anatomie van Pijn (2019, NTGent, mit Schmerzpatient:innen), Stadt der Affen (2020, Burgtheater Wien, mit gehörlosen Jugendlichen), Love Boulevard(2023, Berliner Ensemble, mit Sexarbeiter:innen) und Baroque (2022, Schauspielhaus Bochum, mit übergewichtigen nicht-professionellen Darsteller:innen).

Seit 2024 widmet sich Pauwels verstärkt der Neubearbeitung literarischer Vorlagen. Dazu zählen Hermann Hesses Der Steppenwolf (Theater Basel, 2024), Goethes Werther (Love & Death) (Schauspielhaus Bochum, 2024) sowie Shakespeares Was Ihr Wollt (Twelfth Night, Münchner Kammerspiele, 2025). Diese neue Ausrichtung verbindet die klassischen Texte mit ihrer konsequenten Auseinandersetzung mit Verletzlichkeit, Transformation und den verborgenen Schichten menschlicher Komplexität.

Ihr künstlerisches Schaffen ist geprägt von langjährigen Kollaborationen, insbesondere mit der Bildkünstlerin Johanna Trudzinski, die seit Het Hamiltoncomplex für Kostüm- und Bühnenbild verantwortlich zeichnet. Musik ist ein weiterer zentraler Bestandteil ihrer Arbeit, mit Kompositionen u. a. von Dag Taeldeman, Frederik Neyrinck, Andrew Van Ostade und Tania Gallagher.

2013 gründete Pauwels zudem die Non-Profit-Organisation Sontag, eine Plattform für künstlerische Intuition und gesellschaftlich engagiertes Theater.

Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Brutalität und Zärtlichkeit, radikalem Realismus und surrealer Imagination zählt Lies Pauwels heute zu den markantesten Regisseurinnen des zeitgenössischen europäischen Theaters.

English version:

Lies Pauwels (°1968, Ghent) is a Belgian theatre director and writer whose work combines tenderness, brutality, and surreal imagination.

Originally trained as an actress and long associated with Victoria/Campo in Ghent, she collaborated with artists such as Arne Sierens and Alain Platel before turning increasingly to directing. Since 2001, she has developed a distinctive artistic practice that often brings professional actors together with non-professional performers—teenagers, pain patients, sex workers, or people with psychiatric backgrounds—creating performances that confront audiences with human vulnerability in direct and radical ways.

Her breakthrough came with Het Hamiltoncomplex (Hetpaleis, 2016), awarded the Zilveren Krekel and the On the Edge Festival Award (UK). Other major works include Anatomie van Pijn (NTGent, 2019), Stadt der Affen (Burgtheater Vienna, 2020), Love Boulevard (Berliner Ensemble, 2023), and Baroque (Schauspielhaus Bochum, 2022).

More recently, she has turned to reinterpreting literary classics, including Hesse’s Der Steppenwolf (Theater Basel, 2024), Goethe’s Werther (Love & Death) (Schauspielhaus Bochum, 2024), and Shakespeare’s Twelfth Night (Was Ihr Wollt, Münchner Kammerspiele, 2025).

Her work is strongly shaped by her collaboration with visual artist Johanna Trudzinski (costume and set design) and by partnerships with composers such as Dag Taeldeman, Frederik Neyrinck, and Andrew Van Ostade. In 2013 she founded Sontag, a non-profit platform for her interdisciplinary and socially engaged artistic vision.

Today, Lies Pauwels is recognized as one of the most distinctive directors in contemporary European theatre.