Anna-Sophie Mahler: Es gibt noch Hoffnung
Anna-Sophie Mahler hat am Wiener Volkstheater »Camino Real« von Tennessee Williams inszeniert. Im Zentrum der Arbeit steht - neben den Spielerinnen des Ensembles - die Band »Calexico«, auf einer Bühne vom Katrin Connan.
Egbert Toll sieht in der SZ nicht weniger als die »Schöpfung eines neuen Genres«.
Er beschreibt Anna-Sophie Mahler als »eine bedeutende Regisseurin, die (Musik-)Theater grundsätzlich anders denkt, immer wieder neu.«
In Wien »begreifen sie und Burns die Musik als genauso semantisch aufgeladen wie Williams’ Worte. Wovon die Figuren schweigen, das erzählt die Musik. Der Abend hat Momente eines dunklen David-Lynch-Albtraums, aber Mahler bewahrt ihm ein helles Licht, die Idee einer Überwindung jedweder Unbill durch Schönheit, Poesie und Humor. Und natürlich: durch die Liebe.«
Als »ungewöhnlichste Opernerfahrung des Jahres« bewerteten Kritikerinnen und Kritiker in ›Oper Heute‹ ihre achtstündige Aufführung von Olivier Messiaens "St. François d'Assise" an der Oper Stuttgart. Dort setzt Mahler ihre Arbeit in der Spielzeit 2025/26 vor.
von Barbi Marković
In ihrem dritten Roman erzählt Barbi Marković die Geschichten von Mini und Miki und ihren Abenteuern im städtischen Alltag. Mini und Miki sind nicht von hier, aber sie bemühen sich, dazuzugehören und alles richtig zu machen. Trotzdem – oder gerade deswegen – werden sie verfolgt von Gefahren und Monstern, von Katastrophen und Schwierigkeiten. Es geht um die großen und kleinen Albträume des Mittelstands, um den Horror des perfekten Familienfrühstücks, um Mobbing am Arbeitsplatz und gescheiterten Urlaub, um den Abgrund, der sich im Alltag öffnet und nicht mehr schließen will. Der Roman »Minihorror« wurde mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2024 ausgezeichnet.
In Bungartens drittem Stück MARIA MAGDA trifft Horror auf Diskurs. Maria ist eine Schläferin und wird von ihren verzweifelten Eltern auf ein Kloster-Internat für schwer erziehbare Mädchen geschickt. Es heißt im Kloster der Magdalenerinnen sei einst der Hexenjäger Heinrich Kramer bei lebendigem Leibe verbrannt worden. Es heißt sein Geist geht um. Oder ist es doch der heilige Geist höchstpersönlich? Erst vor zwei Monaten ist ein Mädchen verschwunden. Das Mädchen, in dessen Bett nun Maria schlafen soll. Was verheimlicht ihre neue Zimmernachbarin Magda, welche verborgenen Kräfte schlummern in ihrer Freundin Hildie und was summt die Oberschwester Mutter Väterin nachts allein auf dem Gang vor sich hin? Wer ist hier Hexe und wer ist Nonne? War die unbefleckte Empfängnis in Wirklichkeit eine Vergewaltigung? Und ist Gott eigentlich ein Hund namens Chayenne? In MARIA MAGDA dekonstruiert Bungarten schonungslos misogyne, antifeministische und ausbeutende Erzählungen von Weiblichkeit und Sexualität. Dieses Stück ist ein Gewaltakt und eine Persiflage auf das Patriarchat.
von Falk Richter
Ist das alles hier ein seltsamer Albtraum? Sehen wir Figuren in einem therapeutischen Rollenspiel? Oder sollte das alles am Ende vielleicht doch die Wirklichkeit sein? Etwas ist faul in diesem »bad kingdom« der Gegenwart. Seine Bewohnerinnen und Bewohner sind verunsicherte Menschen in einer großen Stadt. Sie fragen sich, wie sie umgehen sollen mit dem Gefühl, inmitten einander sich immer schneller überlagernder Krisen allmählich den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie suchen nach Wegen aus ihrer Einsamkeit oder schrecken zurück vor zu viel Nähe. Sie fragen sich, wie sie in ihren verwirrenden Beziehungen und Freundschaften, die sie führen oder gerne führen würden, Sicherheit und eine Zukunftsperspektive finden können.
Philipp Rosendahl hat sich für seine letzte Arbeit in Cottbus E.T.A. Hoffmanns »Sandmann« vorgenommen. Und verwandelt sie laut nachtkritik »in ein bezauberndes Gesamtkunst-Event.«
Sylvia Belka-Lorenz schreibt weiter: »Ein Theaterabend wie ein Rausch. An dessen Ende entlädt sich alle Beklemmung, alle Traurigkeit in einem psychedelischen Trip, einem Fest aus Farben, Körpern, Klang. Es gibt mehrere sehr schlaue Grundideen, die diesem Abend das Gerüst für großes Theater geben. Da ist die firlefanzfreie Bühne samt Lichtdesign von Mara-Madeleine Pieler. Da ist eine fantastische Liveband mit der eigens für die Inszenierung komponierten Musik der McDaniel Brothers. Und der beinahe genialische Kniff, jede der Figuren durch ein tänzerisches Pendant zu spiegeln. Wo es für die Angst keine Worte mehr gibt, da sprechen Körper und Klänge. Philipp Rosendahl hat hier den düsteren Gegenentwurf zu seiner grandiosen und bis heute permanent ausverkauften ›Alice‹ erschaffen. Noch eine Reise ins Unterbewusste, noch einmal nichts weniger als der Anspruch, sämtliche ästhetischen Grenzen zu verschieben.«
Als Donald Trump im November 2016 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, schrieb Elfriede Jelinek das Stück zur Stunde: »Am Königsweg«, von Falk Richter in einer vielfach ausgezeichneten Inszenierung am SchauSpielHaus Hamburg uraufgeführt.Im November 2024, noch keine zwei Wochen nach dem schockierend deutlichen erneuten Wahlsieg Trumps findet sich ein Nachspiel zu diesem Stück auf Jelineks Homepage: »Endsieg«. Mit bösem Spott zeigt Jelinek die geradezu kultische Verehrung des ›neuen alten Königs‹ als göttlich auserwählten Erlöser, konterkariert mit einem von ihr selbst so genannten ›Gedicht‹ das tobend lärmende Wutgeheul der Trumpisten. Bereits am 6. Dezember zeigen Falk Richter und sein Team als schnelle szenische Annäherung dieses ›Gedicht‹ im Schauspielhaus Hamburg. Erwarten Sie also keine ausgefeilte Inszenierung, stattdessen den umgehenden Versuch, der lähmenden Depression, die sich auch hier unter Trump-Gegner*innen auszubreiten droht, etwas entgegenzusetzen.
»Ein kleines Schauspielwunder«, »kurzweilig«, »präzise«, das sind nur einige der Pressestimmen zu Anita Vulesicas Debüt am Hamburger Schauspielhaus. Dort hatte ihre Inszenierung von Georges Perecs »Die Maschine« am 13. Oktober Premiere: vor einem jauchzenden Publikum und Standing Ovations. »Es ist so selten geworden, einen Humor zünden zu sehen, wie er nur im Theater funktioniert« schreibt Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung. »Ohne großes technisches Bühnenbrimborium oder zwanghafte Bezüge zu heutigen Krisen zeigt Vulesica mit Perecs ›Die Maschine‹, was Sprache kann, wenn sie als komplexes Medium ernst genommen wird: nämlich unglaublich komisch zu sein. Als das lange genug vorangetrieben wird, jauchzt das Publikum atemlos und springt zum Applaus begeistert aus den Sitzen, denn es hat ein kleines Schauspielwunder erlebt.« »Dieser Abend ist unglaublich präzise gearbeitet, sehr kurzweilig und voller Witz. Und es gehört schon einiges dazu, ein volles Haus am Premierenabend mit so einem Thema 90 Minuten lang bei der Stange zu halten und es zeitweilig so gebannt still werden zu lassen, dass nicht der kleinste Mucks zu hören war«, schreibt Susanne Oehmsen im Hamburger Abendblatt. Anita Vulesica bereitet aktuell eine weitere Arbeit am Deutschen Theater Berlin vor. Dort inszeniert sie mit Premiere zum 14. März 2025 DER LIEBLING, ein neues Stück von Svenja Viola Bungarten.
Im Alexander Verlag Berlin ist ein Werkbuch über die Theaterarbeiten von Christopher Rüping erschienen. Das von Vasco Boenisch und Malte Ubenauf herausgegebene Kompendium ist eine großartige Werkschau, die sich aber nicht als ermüdende wissenschaftliche Aufbereitung präsentiert, sondern als lebendiger Überblick, vor allem erzählt in Begegnungen und Gesprächen zwischen Rüping selbst und etlichen seiner Weggefährt*innen. Große Empfehlung!
Mit Borcherts »Draußen vor der Tür« hat Adrian Figueroa einen sensationellen Einstand auf der großen Bühne in Düsseldorf gefeiert. In der mit stehendem Applaus bedachten Premiere hat Dorothea Marcus auf nachtkritik.de einen »sehenswerten, verstörenden Abend« gesehen. Sie schreibt: »Ein gewaltiger Kampf der philosophischen Konzepte wurde hier inszeniert, ein Psychogramm des menschlichen Untergangs, eine beeindruckende Innenansicht einer krank gewordenen Seele.« Figueroa erzählt das Kriegsheimkehrerdrama in großen, drängenden, dystopischen Bildern. In dieser Inszenierung habe das alles, schreibt die Westdeutsche Zeitung, »auch nach 77 Jahren nichts an Intensität und Aktualität eingebüßt«. Adrian Figueroa hatte zuvor in Düsseldorf Herrndorfs »Arbeit und Struktur« auf die Bühne gebracht und war mit dieser Inszenierung zu »radikal jung« eingeladen. Neben seinen Theaterarbeiten findet Figueroa auch als Filmemacher große Beachtung, zuletzt u. a. mit seinem vielfach preisgekrönten Kurzfilm »Proll!«.
Der diesjährige Deutsche Buchpreis geht an Martina Hefter für ihren Roman »Hey guten Morgen, wie geht es dir?«:Tagsüber hilft Juno ihrem schwerkranken Mann Jupiter dabei, seinen Alltag zu meistern. Außerdem ist sie Künstlerin, tanzt und spielt Theater. Und nachts, wenn sie wieder einmal nicht schlafen kann, chattet sie mit Love-Scammern im Internet. Martina Hefter hat einen berührenden Roman über Bedürfnisse und Sehnsüchte im Leben geschrieben. Und darüber, wie weit man bereit ist, für die Liebe zu gehen. Erschienen ist der Roman bei Klett-Cotta, Stuttgart. Die Bühnenaufführungsrechte werden von schaefersphilippen ™ wahrgenommen. Im vergangenen Jahr ging der prestigeträchtige Preis an Kim de l'Horizon für »Blutbuch«