
Eine Ode an Anne
Bereits bevor Anne Lepper mit ihrem Stück MÄDCHEN IN NOT 2017 zur Dramatikerin des Jahres gewählt wurde, hatte diese außergewöhnliche Autorin mit einer ganzen Reihe wichtiger Werke wie KÄTHE HERMANN, SEYMOUR oder LA CHEMISE LACOSTE ihren unverwechselbaren und eigenständigen Beitrag zum Kanon der Gegenwartsdramatik geleistet.
Mittlerweile sind mehr als 13 Jahre vergangen, seit ihr Debüt (SONST ALLES IST DRINNEN) zur Uraufführung gelangte. Anne Lepper, die in dieser Zeit über 10 Theaterstücke verfaßt hat, gehört somit sicher zu den großen und wichtigen zeitgenössischen Stimmen im deutschsprachigen Theater.
Das zeigen nicht zuletzt die unterschiedlichsten Nachspiele und Transformationen ihrer Texte. In Dortmund ist aktuell die Oper MÄDCHEN IN NOT (nach dem gleichnamigen Theaterstück) zu sehen. Und auch das Puppentheater in Magdeburg hat diesen preisgekrönten Lepper-Text aktuell im Spielplan, während SEYMOUR derzeit u. a. am Theater Ulm gezeigt wird.
Während Anne Leppers »Backlist« also weiterhin einen höchst lebendigen Beitrag zu den aktuellen Spielplänen leistet, ist seit dem 7. Januar mit LIFE CAN BE SO NICE das aktuellste Stück der Autorin zu sehen (Staatstheater Stuttgart, in der Regie von Jessica Glause).
Auf Nachtkritik heißt es: »Artifiziell sind die Sprache und die Form, brennend aktuell, wenngleich nicht neu, sind das Thema und die Aussage. Es geht um die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Kapital und Arbeit. [...] Autorin, Regisseurin und Ensemble haben dem nicht eben verwöhnten Stuttgarter Publikum einen anregenden Abend beschert, der Theatralität und sprachliche Virtuosität nicht der Botschaft und der ehrenwerten Gesinnung opfert (und nicht vice versa). Es bedankte sich mit anhaltendem gemischtem Frauen-und-Männer-Applaus. Theatre can be so nice. Auf gut Deutsch: So schön kann Theater sein.«
Die Stuttgarter Zeitung ergänzt: »Für diese Themen findet Anne Lepper eine Form, in der sich Genres nicht anders mischen als auch jetzt in ›Life can be so nice‹, das in der Stuttgarter Uraufführung von Jessica Glause zur bösen, schnellen Groteske aus Wortgefechten und Popmusical, Gospelmesse und Loveparade wird, live begleitet von Joe Masi. Doch Neonfarben, Discosongs und Ballermann-Bohei verdecken nicht, daß die Autorin ihren Marx und Adorno mitsamt Kritischer Theorie gründlich studiert hat und jetzt überzeugend zur Anwendung bringen läßt. [...] Die Uraufführung aber ist mehr als nur nett. Sie bietet beste Unterhaltung mit grellem Scharfsinn.«
Zum Ende dieser Spielzeit freuen wir uns auf eine weitere Uraufführung der Autorin: Das Staatstheater Darmstadt, das während der Pandemie-Jahre bereits mehrere Texte von Anne Lepper innovativ umsetzte, zeigt ab dem 16. Juni das neue Stück JUGEND OHNE CHOR.

von Andreas Sauter
Eine weite Landschaft.
Eine Lichtung. Ein Wald. Eine Wiese. Eine ferne Zukunft?
Eine Frau zwischen den Zeiten, im Davor und im Jetzt.
Bilder eingebrannt auf ihrer Netzhaut. In sie hinein fallen Erinnerungen, Bilder, Fragmente. Ein Revue-Passieren ihres Lebens vor dem Tod, während sie hofft, endlich aufzuwachen und den tropfenden Wasserhahn in ihrer Küche zu hören.
SCHWEMMHOLZ ist eine mäandrierende Annäherung an die Welt, an ihre Schönheit und unseren Umgang mit ihr. Ist ein Aufschrei, ein Versuch, die Male der Zeit in Bildern zu fassen. Ein Nachdenken über Vergangenes und Nicht-Getanes, über Hoffnung und Illusion.
In diesem Jahr wurde Maxi Obexer mit dem Alice Salomon Poetik-Preis ausgezeichnet. Wir haben das zum Anlaß genommen, dieser besonderen literarischen Aktivistin einen Text zu widmen, der den Blick schweifen läßt über die interessante Landschaft ihres Wirkens als Autorin, Lehrende und politisch engagierte Künstlerin. Die Jury begründet ihre Entscheidung für Maxi Obexer unter anderem damit, daß sie »inspirierend unkonventionell schreibt und dabei stets brennende soziale Fragen angeht wie Flucht, Migration, Gewalt, Unterdrückung, ökologische Themen, das Mensch-Tier-Verhältnis. Im Grunde geht es bei all diesen Themen aber immer um Liebe, um Bezugnahme auf andere und anderes oder eben deren Fehlen in einer zu kalten Welt.« In Obexers Schaffen war das Theater immer ein politischer Ort, und sie bekundet mit ihren Texten ein ums andere Mal den Glauben an dessen politisch-literarische Relevanz. Heute mehr denn je braucht es solche Künstler*innen und Werke. Herzlichen Glückwunsch, Maxi Obexer!
Eine Normalfamilie, irgendwo im ländlichen Raum. Die Eltern Zahnärzt:innen von unsicherem Wohlstand und einem Familienglück, das alsbald bröckeln wird: Erst fällt der Vater aus, »Nervenzusammenbruch«, sagt die Mutter. Dann geht die Praxis pleite – und die Ehe in die Brüche. Die Zwillingstöchter teilen sich mit den Eltern auf, verbringen fortan ungleiche Leben. Und in diese private Katastrophe schwappt, wie beiläufig, ständig die Erderwämung hinein.
Der Text gewann den Else Lasker-Schüler-Stückepreis und ist noch frei zur Uraufführung.
Der Schweizer Theatermacher und Filmregisseur Milo Rau wird die Wiener Festwochen ab Juli 2023 als Intendant leiten. »Es sollen Festwochen gemeinsam mit allen und für alle werden: ein vielstimmiges, formal diverses, leidenschaftliches und kämpferisches Welttheater.«
Wir gratulieren Lucia Bihler zu ihrer ersten Einladung zum Theatertreffen. Bihler reist mit der Inszenierung »Die Eingeborenen von Maria Blut« nach Berlin, ihrer zweiten Arbeit in Folge am Burgtheater Wien.
Das Magazin ›Die Deutsche Bühne‹ hat die Regisseurin Sapir Heller zum Gespräch über die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Wajdi Mouawads Stück ›Vögel‹, über nötige Kritik am Staat Israel und das Leben als israelische Jüdin in Deutschland eingeladen. Lesen Sie hier mehr.
Den Start ins neue Jahr unternehmen Anne Lepper und Jessica Glause gemeinsam. Die Uraufführung von Leppers aktuellstem Stück LIFE CAN BE SO NICE wird ab dem 7. Januar 2023 am Staatstheater Stuttgart zu sehen sein. Am gleichen Tag weiter östlich inszeniert Philipp Rosendahl am Staatstheater Cottbus »Der große Gatsby«. Constanza Macras neues Stück »Drama« wird am 19. Januar an der Volksbühne Berlin uraufgeführt. Mit »Leonie und Lena« verabschiedet sich Ulrich Rasche in Khuons letzter Saison mit einer weiteren Arbeit am Deutschen Theater Berlin (20.1.23). Ebenfalls am 20. Januar zeigen Wilke Weermann in Bamberg (»Zaun«) und Jan-Christoph Gockel (»Hospital der Geister«) neue Inszenierungen, ebenso wie Lucia Bihler am 21.1. an der Wiener Burg (»Die Eingeborenen von Maria Blut«), Saar Magal am Schauspiel Frankfurt (»Ten Odd Emotions«) und Mareike Mikat ein Münster (»Und wenn ich von Zeit spreche...«). Für das Theater Dortmund hat Sanja Mitrovic ein neues Stück entwickelt; UNTER GRUND wird dort am 28. Januar in ihrer eigenen Regie uraufgeführt. Marco Štorman wiederum fährt an der Oper in Stuttgart die ganz großen Geschützen auf und inszeniert erstmals die »Götterdämmerung« (ab dem 29. Januar 2023).
Der mit 5.ooo Euro dotierte Kurt-Hübner-Regiepreis geht an Marie Schleef für ihre Arbeit ONCE I LIVED WITH A STRANGER. Herzlichen Glückwunsch!
Ein kluger Artikel über die Vereinbarkeit von Theaterleben und Elternschaft, hier im Fokus Sara Ostertag.