A. ist eine andere
A. hat sich verbrannt. Auf offenem Feld, direkt neben ihrem Wagen. Die Indizien scheinen keinen Irrtum zuzulassen. Man fand auch ein paar angefangene Briefe. Gestotterte, unvollendete Liebesbriefe an Gerd, ihren Mann. Gerd hat noch ihren Duft an den Fingern. A. war jung, voll Lust, mit normal verrückten Träumen. Nichts Ungewöhnliches, nichts Auffälliges. Vier Tage später sind die Formalitäten erledigt. A. ist in der Urne, die an einem verregneten Tag auf der Wiese ausgestreut wird. Die Situation ist so unfaßbar, daß sie weder Schock noch Betäubung zuläßt. Vier Menschen suchen mühsam nach einem Alltag nach dem Tod und erinnern sich an A. Pheres, ihr Vater, der als Bonsai-Spezialist einen Bonsai auf die Wiese setzt, obwohl der im Freien keine Chance hat. Bongo, der lebenslustige Barmann, der mit Gerd in Italien so wunderschön bis zum Umfallen Chianti trank. Nina, die Medizinstudentin, die A. in der Pathologie sah und inzwischen ihre Sachen trägt. Gerd, der Architekt, dem das Leben mit A. bisher so leicht war. Mit einem fast unbemerkt gleitenden Wechsel zwischen erzählten Passagen und unterbrochenen Dialogen wird A. immer präsenter. Vergessene, alltägliche Details werden groß. Lebensgeschichten einfach und unwiederbringlich. Behutsam fließen die Gedanken der Figuren ineinander, bis A. in den Dialog tritt. Lebendiger, je mehr ihr Verschwinden als Tatsache akzeptiert wird. Und ihr gehört konsequent der letzte Monolog in dieser bizarr gebauten Liebesgeschichte.
Ausgezeichnet mit dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatik 2000