Eine Odyssee
Homers Odyssee (8. Jh. v. Chr.) beginnt zehn Jahre nach der Niederlage Trojas und ist ohne den Krieg nicht zu denken. Zwar gehört Odysseus den siegreichen Griechen an, doch wird es dank Poseidons Fluch weitere zehn Jahre dauern, bis Odysseus nach Ithaka zurückkehren kann. Lässt sich das Leben nach Stationen in der Ferne und allein auf dem Meer nahtlos fortsetzen? Was bedeutet Realität, wenn der Mythos um die trojanische Schlacht diese längst ersetzt hat? Das Trauma erfasst auch die Familie. Penelope verharrt in einer Nicht-Zeit, belagert von Freiern. Ihrer beider Sohn Telemachos ist vaterlos in einem patriarchalen System aufgewachsen und Odysseus dessen bloße Projektion einer Heldenfigur.
Echos des Krieges – aus der Antike durch die Schrecken von Afghanistan und Vietnam hindurch – hallen nach. Oder hat die Wirklichkeit den Mythos in seiner nicht linearen Komplexität längst eingeholt? Odysseus erzählt seine Geschichte, aber: Niemand ist Odysseus.