Lam Gods
In der Eröffnungsinszenierung seiner Intendanz am NTGent nimmt sich Milo Rau des berühmtesten Gemäldes Belgiens an und rekonstruiert den Genter Altar der Brüder Hubert und Jan van Eyck aus dem 15. Jahrhundert mit Genter Bürger*innen. In Form einer Theater- und Videoinstallation verbindet er im »Genter Altar« wie einst die Brüder van Eyck das Alltägliche mit dem Spirituellen: So wie der Altar aus verschiedenen Schichten besteht, die übereinander lagern, so wie sich das Reale mit dem Symbolischen mischt, werden Menschen aus Gent aus ihrem Leben erzählen.
Wann immer Deutsche oder Franzosen in Belgien einmarschiert sind, haben sie ihn entführt, »The Monuments Men« mussten ihn suchen. Heute lockt er als Touristenattraktion Menschen aus der ganzen Welt nach Gent, in die Kathedrale direkt neben dem Theater. Adam und Eva, Kain und Abel, Märtyer und Engel: die Motive sind christlich und spirituell. Die Gesichter der Figuren aber sind realistisch, zeigen Gesichter aus Gent.
Die Brüder van Eyck verewigten ihre Mäzene und Förderer, aber auch ihre Nachbarn und Kollegen. So war eines der ersten Werke der modernen realistischen Kunst zugleich beides: dokumentarisch und mythisch, gewöhnlich und universell. In den persönlichen Geschichten der Beteiligten spiegelt sich die Gegenwart von Gent, aber auch die bewegte europäische Geschichte.
In der Rekonstruktion des Genter Altars auf der Bühne, zwischen Theater- und Videoinstallation, entsteht gleichsam ein Panorama unserer heutigen Welt zwischen Tradition und ungewisser Zukunft – und zugleich ein an das »Genter Manifest« angelehntes Kunstwerk über die Bedeutung von Kunst und Spiritualität für das menschliche Leben.