Polen ist mein Italien
1980. Das Ende der Welt, ganz in der Nähe von Danzig. Inmitten dieser postapokalyptisch anmutenden Ostsee-Ödnis, geht dem legendären (wenngleich kaum bekannten) Berliner Independent-Regisseur Bela Roberti, der gerade an seinem Science-Fiction-Streifen »Die Wiese der Dinge« arbeitet, das Film-Material aus. Der erfolglose Filmemacher schafft es nicht, das Scheitern des Projekts gegenüber der Filmcrew einzugestehen, und flüchtet stattdessen in eine fiebernde Gedankenwelt zwischen Erinnerung und Traum. Er begegnet zwei polnischen Brüdern in ihrem verlassenen Hotel am Meer, einer Kranführerin, die kurz vor ihrer Pension gefeuert wurde, und seiner Ex-Frau, die ihn längst verlassen hat.
Mit Bela Roberti, dem »erfolglosen deutschen Independent-Science-Fiction-Filmer« erschuf Sascha Hargesheimer eine sphärische Kunstfigur, die letzte Fragen zu stellen versucht: »was würdest du filmen / mit dem letzten rest meine ich / wenn es der letzte rest film auf der welt wäre / was würdest du sehen wollen«.
In genau diese Situation ist der Regisseur nun geraten, nahe Danzig im Jahr 1980, dem Jahr, in dem die Oppositionsbewegung blutrot erblühte.
In der Jury-Begründung zum Münchner Förderpreis für neue Dramatik, den Sascha Hargesheimer mit seinem Stück 2013 gewann, heißt es: »Was bannt man auf die letzte Minute Film? Dieser Frage muß sich in dem Stück Bela Roberti stellen, dieser vergessene Regisseur des deutschen lndependent-Science-Fiction-Films. Er ist nach Polen aufgebrochen, um in einem verlassenen Hotel in der Nähe von Danzig seinen letzten Film zu drehen. Doch dann geht ihm der Film aus. Roberti und sein Filmteam verstauben in Polen. Aber Roberti weiß nicht, worauf er warten soll. Was ist es wert, für die Ewigkeit festgehalten zu werden? Während die Arbeiter auf der Werft in Danzig und ganz Polen für bessere Lebensbedingungen im Hier und Jetzt kämpfen, kämpft Bela Robertti mit sich selbst: ›Ich glaube, ich habe den falschen Job oder das falsche leben, aber ich kann nicht sagen, ob es das eine oder andere ist. Gibt es ein anderes Leben?‹ Die Hotelbesitzer haben eine erschreckend einfache Antwort: ›Das hier ist ja schon die echte Welt. Es gibt kein Dahinter, keinen nächsten Horizont.‹ Sascha Hargesheimer hat es mit seinem Stück in einer geradezu elegischen Art auf den Punkt gebracht: Die Wirklichkeit ist immer das, was wir aus ihr machen.«
Ausgezeichnet mit dem Münchner Förderpreis für neue Dramatik, 2013