Das blaue, blaue Meer

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Theater, UA: 22.01.2010, Schauspiel Frankfurt
Inhalt

Darko säuft. Säuft, bis sich sein Gehirn nach außen stülpt. Säuft, bis er stottert und nach Luft schnappt. Säuft, bis ihm die Zähne ausfallen und er seinen Namen vergißt. Saufen saufen untergehen – wie so viele hier in der Plattenbausiedlung. 

Doch dann kommt Motte. Wohnsiedlungsprostituierte. 19 Jahre. Ein Lottogewinn, eine heruntergefallene Sternenschnuppe. Und plötzlich fängt Darko an, etwas zu fühlen, das wenige hier fühlen dürfen: Hoffnung.

Auf einmal ist etwas, ist alles anders. Wie kann das sein? Dort, wo grade noch Tristesse war, entsteht plötzlich, ganz leise, ein Gefühl, eine Stimme, die sagt: »Raus, wir müssen raus hier.« Die Sterne sind noch immer nicht zu sehen und auch das blaue, blaue Meer ist weit – doch gemeinsam trauen sich Darko und Motte, vom bisher Undenkbaren zu träumen. Wie aber soll das funktionieren an einem Ort, an dem selbst der Gedanke an das kleinste denkbare Glück anmaßend erscheint?

Mit urwüchsiger, unkonventioneller und anarchischer Schreibkraft, dramatisch und prosaisch zugleich, erzählt Nis-Momme Stockmann von brüchiger Liebe, flüchtiger Hoffnung und tödlichem Stillstand. Seine ebenso grotesk-abgründige wie komisch-berührende Geschichte vom jungen Säufer Darko und der Teenage-Prostituierten Motte verlegt er in die anonymen Wohnsilos einer Sozialsiedlung. Doch Stockmann stellt keine Menschen aus, er beschreibt keinen Menschenzoo. In der grotesken Verdichtung seiner sozialen Schock-Utopie erkennen wir mehr und mehr das Individuum und – trotz aller widrigen Umstände – dessen lang abhanden gekommene Würde wieder.

Ein Stück über das Meer, die Sterne, den Plattenbau, den Tod. Ein Stück darüber, wie Armut und Verzweiflung an die Grenze der Wahrnehmungsperipherie der Deutschen gerückt wird und warum es Hoffnung für einige Menschen nur noch schlimmer macht. Ein sehnsüchtiges Stück voll von poetischer Kraft, verstörend, berauschend und auch irgendwie hochkomisch.Wie Stockmann von diesen Vergessenen an einem vergessenen Ort erzählt, macht DAS BLAUE, BLAUE MEER zu einer ganz besonderen Entdeckung.

Auszug

»Ich bin nicht besonders denkfit. Ich saufe. Ich sauf mir den Schädel leer. Ich sauf so viel, daß sich mein Gehirn nach außen stülpt. Ich sauf, bis ich nach Luft schnappe und stottere. Ich saufe so viel, daß die Tage verschwimmen. Ein riesiger dunkelgrauer Ozean aus Zeit und Raum. Und ich mittendrin und schwimmen. Saufen saufen saufen. 

Ich saufe Vodka, und ich saufe Rum. Ich saufe Korn. Morgens saufe ich Mische und Bier. Ich sauf mit Freunden, ich sauf allein. Ich sauf mit der Familie. 

Ich hab mal Karate gemacht, ich hab mal Musik gehört, ich hab mal Geschwister gehabt. Aber jetzt sauf ich.«