I am Providence

Autor*in(nen)
Theater, Stückentwicklung, UA: 08.11.2019, Staatstheater Kassel, Regie: Wilke Weermann
Inhalt

Providence, New England. Eine Stadt, deren Name fromm-drohend »Vorsehung« heißt. Villen, Vorgärten, Coffee Stores, Indian Summer, Rhode Island Design, 68% Democrats: Die Schlingpflanzen des Chaos sind Blumenbeete geworden. Indes, unter dem neuenglischen Rasen lauert es, dampft organischer Nebel aus den Poren der Erde hoch zum Fischauge des Mondes. Wartend.

Über Jahrhunderte haben Einheimische und Siedler*innen ihr inzestuöses Netz aus Sagen gewoben; von E. A. Poe bis Stephen King suchten Autor*innen New England mit Schrecken auf, und doch: Wenn einer die Dämonenkrone des Genres trägt, so H. P. Lovecraft, Sohn von Providence, Vater des »cosmic horror«. Er sei der Menschheit so überdrüssig, schrieb er, »mich kann nichts interessieren, wenn es nicht wenigstens zwei Morde pro Seite gibt oder namenlose Schrecken aus äußeren Welten«. Jene Schrecken aus äußeren Welten – wie weit sind sie noch von unserer aufgedunsenen Zivilisation, jenem feuchten Alptraum Schopenhauers und Houellebecqs entfernt? Lautet die Erkenntnis am Ende: Dem Kosmos sind wir unbedeutender als Insekten? Lovecrafts Weltekel, Prophetie einer heillosen Moderne, gerann in abstruse Visionen, Arien des Wahns, Rassismus und der Haßliebe zu allem Vitalen. Nach einer Kostprobe des Molochs New York floh der zuckersüchtige Gentleman zurück in den Hafen von Providence zu seinen drei Tanten. Und dort liegt er begraben unter einer Marmorstele mit der Aufschrift: »I am providence – Die Vorsehung bin ich.« Die Stadt. Der Erdkreis. Laßt uns die Kinder schnell zu Bett bringen und ihnen vorlügen, das sei nicht die Wahrheit.