The Silence

Autor*in(nen)
Theater, UA: 01.10.2022 Théâtre National de Strasbourg, DEA: 19.11.2023 Schaubühne Berlin
Inhalt

Für sein autofiktionales Stück »The Silence« geht der Autor und Theaterregisseur Falk Richter zurück in die eigene Familiengeschichte. Sein Vater verstarb, ohne dass eine versöhnliche Aussprache mit dem Sohn stattfinden konnte.
Im Dialog mit seiner Mutter nimmt er jahrzehntelang nicht ausgesprochene Wahrheiten, verdrängte Geheimnisse und unaufgearbeitete Traumata in den Blick, die ihn bis zum gegenwärtigen Tag nicht in Ruhe lassen.

Wie haben sich die Gräuel, die sein Vater im Krieg erlebte in die Familiengeschichte und in die Ehe seiner Eltern eingeschrieben, wie das Trauma der Vertreibung und Flucht der Mutter aus Westpreußen? Was wurde in der Familie jahrelang verschwiegen? Wie wuchsen der Autor und seine Schwester in der westdeutschen Provinz der Nachkriegszeit auf, wie konstruierte sich die Familie? Wie wurde die schon im Teenager­alter sich abzeichnende schwule Identität des Autors von den Eltern unterdrückt und bekämpft? Wie wurde auf homophobe Anfeindungen reagiert, die er erlebte? Wie setzen sich Traumata, Schweigen und gewaltsame Unterdrückung in den eigenen Beziehungen des Autors fort?

Die Auseinandersetzung von Mutter und Sohn wird zu einer Reise in die Abgründe der westdeutschen bürgerlichen Gesellschaft von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Wie verlässlich aber ist die eigene Erinnerung, wie glaubhaft die Lebenserzählung der Mutter? Und hätte alles nicht auch ganz anders sein können? Schon bald vermischt sich Autobiografisches mit Fiktivem, widersprechen Erinnerungen einander und tun sich Möglichkeiten anderer Realitäten auf. Im Spiel mit Autobiografie und Fiktion, in den Widersprüchlichkeiten der eigenen Geschichte keimt aber auch Hoffnung: Welche anderen Modelle von Männlichkeit, und damit andere Arten von Vater - und Elternschaft, sind möglich? Welche Formen von Beziehungen gibt es jenseits von patriarchaler Unterdrückung und Gewalt? Wie könnte ein ganz anderes Leben aussehen?

 

»Manchmal ist die Literatur, das Theater oder der Film präziser als jede historische Abhandlung. Das macht dieses Stück von Richter so groß im Kleinen.« (Der Tagesspiegel)

»Richters einfühlsamer Text und Schaads großartiges Schauspiel setzen etwas in Gang, wo man, wie auch der autofiktionale Richter selbst, nicht hinwill. Dorthin, wo die Gefühle sitzen, die unbedingt gefühlt werden wollen.« (taz)

»Falk Richter ist etwas gelungen, das die wenigsten Protagonisten der Postmoderne, die im Theater der 1990er aufgebrochen sind, geschafft haben: die Mittel der offenen Erzählweise, der unablässigen Brechungen, des ›Cool Fun‹ mit einer ganz eigenen Aufrichtigkeit und Direktheit zu verbinden, den Schleier der Zeichen einzureißen, die Berührung des Realen spüren zu lassen. Nicht erst heute, aber heute wie an seinen besten Tagen. Und mit Dimitrij Schaad hat Richter den idealen Mann für sein Projekt. Es ist das eindrucksvollste Solo der Schaubühne seit Lars Eidingers Goya-Abend mit Rodrigo Garcia 2011. Mindestens.« (Nachtkritik)