Caligula will zum Mond, koste es, was es wolle: seinen Schlaf, dass er sich bei Elon Musk anbiedern muss oder satte 28 Milliarden Dollar. Angetrieben von dem Wunsch nach Handlungsfreiheit und unendlichem Wachstum, befindet sich der rastlose junge Mann in einem Strudel der Gier. Immer weiter, höher und schneller muss er über sich hinauswachsen. Nur gut, dass sein Bitcoin-Kontostand stetig steigt. Von Rom bis Tokio versucht Caligula alle, die ihm begegnen, von seiner Mission zu überzeugen, sei es seine Mutter, Oli Kahn oder den Mond selbst.
Dante Meyrowitz arbeitet als Risikocontroller. Nach neun Jahren im Job gleicht seine Existenz einer einzigen, schlafwandlerischen Risikovermeidung: Im täglichen Hamsterrad von katalogdicken Excel-Tabellen, Ritalinabhängigkeit und ausgefahrenen Ellenbogen am Arbeitsplatz, fühlt er sich mittlerweile wie ein Statist im eigenen Leben. Als er schon beginnt nach »stillem und sauberem Selbstmord« zu googlen, steht eines Morgens Tim Würfel, »staatlich anerkannter« Betreuer, vor seiner Tür.
Kein biographisches Stück, sondern eine Vielfalt an Stimmen: Nicht nur die Kanzlerin und Gudrun Ensslin, auch Galeristen, der Maler Felix Nussbaum, der Künstler Heinrich Vogeler, Andy Warhol - sie alle setzen sich mit Beuys´ Wirken auseinander: die Verschmelzung von Kunst und Politik, die Abwendung von der Kirche anhand des fordernden Dialogs und die ständig brennende Frage nach dem Mensch-Sein selbst.
Wir befinden uns in einem Dark-Room, in dunklen Eingeweiden, oder auf der Hauptbühne von Rupauls Drag Race – auf jeden Fall leuchtet eine goldene Leiter in diesem Raum, die wir erklimmen müssen. Wir, das sind neben dem Schlurz, dem Herrscher dieser Welt, die*der Verfasser*in des Textes, dessen Neffe und Martin, Zwergsepia, Birke und Kamtschatka-Knöterich. Letzterer spricht nur japanisch, kann sich aber trotzdem gut verständigen.
Alle müssen bei dem Spiel, dessen Teilnehmer*innen sie freiwillig oder unfreiwillig geworden sind, mitmachen, denn nur so können sie aus dieser unheimlichen Welt entfliehen – und aus ihren Zuschreibungen und vorgefertigten Identitäten.
Ein Mensch hat Erfolg im Beruf. Er lebt in einer Gesellschaft, in der Leistung eine wichtige Rolle spielt. Der Staat kümmert sich nur wenig um seine Bürger*innen. Das meiste regelt die freie Wirtschaft. Der Mensch arbeitet, damit es ihm gut geht. Manchmal vergisst er dabei, dass er einen Körper hat. Dann wird er krank. Der Staat hilft dann kaum.
In einer verrückten Mischung aus Survival, Heimatfilm und unerklärlichem Delirium bewegt sich eine Gruppe auf mysteriöser Misson voran und kommt doch nicht vom Fleck. Man sucht einen geflüchteten Geflüchteten, aber dieser bleibt nicht nur physisch verschwunden, sondern auch auf andere Weise abwesend. Denn all diese vermeintlich Helfenden kreisen ausschließlich in ihrem jeweils eigenen Kosmos.
Die Flüsse sind trocken, das Wasser ist rar, die Aussichten sind düster. Es wird zwar wärmer, aber nicht unbedingt netter auf unserem Planeten. »Zeit um Luft zu holen und etwas runterzukommen«, findet ein junger, latent gestresster Großstädter und folgt der Einladung seines Cousins, ihn wieder mal in der gemeinsamen Heimatstadt Bad Lausick zu besuchen, wo er in einem bekannten Heilbad residiert. Er hat hier eine seltsame Entdeckung gemacht und will sie mit ihm teilen. Als der Großstädter jedoch eintrifft, will sein Cousin nichts mehr von den Entdeckungen wissen.
Das Hallelujah aus Händels Oratorium Der Messias kennt jeder, vielleicht ohne zu wissen, woher es stammt. Händel war neben Bach und Telemann der genialste Komponist des Barock, ein Star nicht nur in seiner Wahlheimat England. Bei der Uraufführung des Messias mussten die Damen im Publikum wegen des Andrangs auf ausladende Reifröcke verzichten, damit mehr Menschen Platz finden konnten. Händel spendete sein Honorar zugunsten eines Armenkrankenhauses und der Insassen eines Gefängnisses. Selbst todkrank, hatte den Komponisten die Arbeit am Messias ins Leben zurückgeführt. Der Superstar des Barock war ein Mensch voller Widersprüche und Geheimnisse, die bis heute nicht gelüftet sind. In Händel’s Factory vermischen sich Stimmen der Vergangenheit und der Gegenwart auf den Spuren von Genie und Verzweiflung, von Liebe und Verlust.
DAS HERZ DER KRAKE ist mehr als ein engagierter Schlagabtausch eingespielter Positionen. Mit geradezu furchteinflößender Gelassenheit dringt Stockmanns Text in die Widersprüchlichkeit und die Scham der Geschichte und seiner Figuren und zeichnet ein häßliches, ein bisweilen angstmachendes Bild deutscher Gegenwart, heimgesucht von einem Haß ohne Erinnerung, der laut tönt und doch keine Worte findet.
Henni und Toto verfolgen ein klares Ziel: Sie wollen herausfinden, was es mit dem »Sinking Man« auf sich hat. Ein Video, das 2015 viral ging und einen Mann zeigt, der durch eine Wand glitcht und seitdem als verschollen gilt. Ort des Verschwindens sind die alten Werkstätten des Theaters in Ehrenfeld, wo dieser früher als Hauswart tätig war. Unter dem Vorwand, einen Fernsehbeitrag über einsame Berufe zu produzieren, beraumen sie ein Interview mit Joris van Doorn an – Bruder und Nachfolger des »Sinking Man«. Die Hallen scheinen zunächst verlassen. Doch je länger das Dokumentarteam durch das Gebäude läuft, desto mysteriöser wird es.
Der Hund ist ein Ausnahmetalent. Ein Waisenjunge, halb verhungert aus einem Kellerloch gekrochen, der kochen kann, daß es einem das Herz zerreißt. Als er im Restaurant El Cion anfängt, steigt der Hund in den Olymp der Sterneküche auf. Akiz erzählt die Geschichte zweier Underdogs, ohne Luft zu holen, in überschäumendem Sound. Ein brachiales, unvergeßliches Debüt, das mit voller Wucht auf die Explosion zusteuert. Ein großartiger Stoff für einen dialogstarken Theaterabend in kleiner Besetzung.
Im Zugabteil, Rauschen. Und da ist diese Stimme, schlecht zu hören durch das Bordradio. »Bitte, wachen Sie auf«. Immer wieder wird die Stimme durch die Mitreisenden oder das Bordpersonal unterbrochen, verschwimmt wie die Landschaft hinter den Fenstern. »Warum wollen sie dich davon abhalten, mehr zu erfahren? Warum halten sie dich davon ab, aufzuwachen?« Hypnos heißt die Stimme. Eine neue Technologie, welche mit im Koma liegenden Menschen kommunizieren kann. Seit Jahren liegt die Frau hier schon, dies ist die letzte Möglichkeit, sie zu erreichen, sie zurückzuholen.
Ein Mann mittleren Alters mietet sich in einem Co-Working-Space ein. Er will endlich vorankommen. Womit ist noch unklar, doch er spürt, es geht ums Ganze. So scheint es allen in diesem kargen wie fantastischen Co-Working-Space zu gehen. Flexible Selbstoptimierer*innen, erfahrene Förderantragsschreiber, sprachlose Call-Center-Agenten, wortgewandte Prokrastinierer und andere frei flottierende Büroexistenzen – sie alle haben viel vor und stehen doch die meiste Zeit im Pausenraum und trinken Kaffee, viel Kaffee. Denn es gilt: kein Kapitalismus ohne Kaffee.
Dirk ist jetzt alt genug, findet seine Mutter, und muss in die Welt hinaus. Ihm macht das Angst: Denn woher soll er wissen, wie das geht – ein gutes Leben führen? Als Gouvernante und Richtschnur gibt ihm seine Mutter deshalb den Chor mit. Die Welt entpuppt sich für Dirk als Backstube, in der Mehlstürme die Sicht vernebeln. Die Gesellen führen hier ein Leben, das von erbarmungslos kapitalistischer Verwertungslogik bestimmt ist. Auch sie wären gerne gute Menschen – aber wie? Ein Chor muss her, nur den kann man ja nicht einfach so im Internet bestellen.
Mit einer reichen Frau und ihrem Geld lebt es sich für Nicki in LIFE CAN BE SO NICE leicht. Nicki hat das große Los gezogen. Aber auf einmal ist’s vorbei. Kein Versace, kein Armani mehr. Und: die Liebe ist dahin. Ein aufregendes Leben fordert Mary, nicht einen gewöhnlichen Mann wie Nicki. Nicki steigt ab, von der Belle Etage ins Souterrain des Grandhotels, Fallhöhe pur. In der Küche ist der reiche Gast der arme Angestellte. Hier muss er nun zwischen Mehlstaub und Schnitzel schuften und schwitzen. Immerhin ist der Chor dabei, den hat er ihr nicht überlassen.
In ihrem dritten Roman erzählt Barbi Marković die Geschichten von Mini und Miki und ihren Abenteuern im städtischen Alltag. Mini und Miki sind nicht von hier, aber sie bemühen sich, dazuzugehören und alles richtig zu machen. Trotzdem – oder gerade deswegen – werden sie verfolgt von Gefahren und Monstern, von Katastrophen und Schwierigkeiten. Es geht um die großen und kleinen Albträume des Mittelstands, um den Horror des perfekten Familienfrühstücks, um Mobbing am Arbeitsplatz und gescheiterten Urlaub, um den Abgrund, der sich im Alltag öffnet und nicht mehr schließen will.
Viktoria kehrt zu ihrer Familie ins Berner Oberland zurück.
Zu Mutter, Schwester, Sohnemann, Onkel, Franz, zu 91 Skiliften und 230 Pistenkilometern Einsamkeit.
Langsam fächert sich der Schmerz der Daheimgebliebenen und der Zurückgekehrten auf. OBERLAND erzählt von Gebirgsketten so hoch, dass dahinter kein Horizont mehr wartet, und dem Unvermögen der Figuren, ihrem eigenen Schicksal zu entfliehen. Weil nach dem Après Ski, da wartet nur noch, da wartet nur noch –
Alfred ist nervös. Sein reicher Onkel hat wieder eine seiner verrückten Ideen: Er will das Resilienz-Startup besichtigen, das Alfred erfunden hat, um den Startup-Fetisch seines Onkels auszunutzen – und das unpraktischer Weise nur auf dem Papier existiert. Jetzt will der Onkel aber plötzlich sehen, in was er da eigentlich investiert. Außerdem hat er Lust, mal wieder ein paar »gesunde« Menschen zu sehen, während alle Welt auf verrückt macht. So bleibt Alfred und seinem Love Interest Friederiken nichts anderes übrig, als die Pension SchöllerInn, die Friederikens schwelgender Onkel zum Erproben von Gruppenerlebnissen betreibt, Alfreds Onkel als Resilienz-Retreat zu verkaufen.
Das traditionsreiche Theater Helios pfeift aus dem letzten Loch. Generalintendant Geldoff kämpft wie ein Ertrinkender um seine Vertragsverlängerung. Nur ein großer Theaterabend könnte die Zukunft der Bühne sichern – und so setzt er alles auf eine Karte und engagiert einen erfolgreichen und teuren Jungregisseur, der mit dem Portal die Gunst der lokalen Kulturpolitik zurückgewinnen soll. Chefdramaturg Eisenstern hat derweil eigene Pläne.
Zoe und Juri sitzen auf einer rostigen Schaukel auf einer herunterkommenden Brache und überlegen, was sie mit dem langen, vor ihnen liegenden Nachmittag anfangen sollen.
Aus Zoes Idee, zum Horizont zu reisen, entwickelt sich eine rasante Abenteuerreise durch die Wüste bis zum Meer. Doch der Horizont kommt einfach nicht näher. Es ist heiß, Juris Füße tun weh und Zoes unsichtbarer Freund Tomke stänkert auch dauernd herum.
Eine weite Landschaft.
Eine Lichtung. Ein Wald. Eine Wiese. Eine ferne Zukunft?
Eine Frau zwischen den Zeiten, im Davor und im Jetzt.
Bilder eingebrannt auf ihrer Netzhaut.
In sie hinein fallen Erinnerungen, Bilder, Fragmente. Ein Revue-Passieren ihres Lebens vor dem Tod, während sie hofft, endlich aufzuwachen und den tropfenden Wasserhahn in ihrer Küche zu hören.
Für sein autofiktionales Stück »The Silence« geht der Autor und Theaterregisseur Falk Richter zurück in die eigene Familiengeschichte. Sein Vater verstarb, ohne dass eine versöhnliche Aussprache mit dem Sohn stattfinden konnte. Im Dialog mit seiner Mutter nimmt er jahrzehntelang nicht ausgesprochene Wahrheiten, verdrängte Geheimnisse und unaufgearbeitete Traumata in den Blick, die ihn bis zum gegenwärtigen Tag nicht in Ruhe lassen.
WARTEN AUF TRÄNENGAS reflektiert die Instabilität, die Langeweile und die Unattraktivität institutioneller Demokratie und deren Herausforderung durch allzu vitale, populistisch effekthaschende Gemeinschaftsversprechen. Dabei setzen die Autoren nicht auf moralische Urteile, vielmehr verfolgen sie die Zersetzung der Strukturen politischer Auseinandersetzung zugunsten einer emotionalisierten, von sich selbst überzeugten Politik im Namen einer selbsternannten Mehrheit. Mit einem kleinen Cast gelingt es Sauter und Studlar, das komplexe Spannungsgeflecht eines gesellschaftlichen Umbruchs zu skizzieren.
Eine Party der High Society, bei der am Ende niemand nach Hause geht – eine plötzliche unsichtbare Grenze hält die Abendgesellschaft im Esszimmer der Gastgeber gefangen. Seltsamerweise scheinen die Hausangestellten die Bedrohung vorauszuahnen, denn sie machen sich aus dem Staub, bevor der Spuk beginnt.
Das Autor:innen-Duo PeterLicht und SE Struck untersucht mit bissigem Humor und einem heutigen Blick eine wiedererkennbare gesellschaftliche Klasse, die trotz oder aufgrund all ihrer Privilegiertheit, ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten komplett handlungsunfähig ist.
Eine Normalfamilie, irgendwo im ländlichen Raum. Die Eltern Zahnärzt:innen von unsicherem Wohlstand und einem Familienglück, das alsbald bröckeln wird: Erst fällt der Vater aus, »Nervenzusammenbruch«, sagt die Mutter. Dann geht die Praxis pleite – und die Ehe in die Brüche. Die Zwillingstöchter teilen sich mit den Eltern auf, verbringen fortan ungleiche Leben. Und in diese private Katastrophe schwappt, wie beiläufig, ständig die Erderwämung hinein.